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Interview mit Erwin Mönnig, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft VB

Am 24. September dieses Jahres veranstaltet das Kreisjobcenter zum wiederholten Male die Ausbildungsmesse in der Hessenhalle in Alsfeld. Wir haben mit dem Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft für den Vogelsbergkreis, Erwin Mönnig, über die Themen Ausbildung und Fachkräftesicherung gesprochen.

Jobcenter: Herr Mönnig, wie beurteilen Sie die Ausbildungsmesse? Halten Sie diese Messe für notwendig?

Mönnig: Die Ausbildungsmesse ist eine wichtige Plattform für die Betriebe, um sich zu präsentieren, ihre Arbeit vorzustellen und über Anforderungen an zukünftige Lehrlinge zu informieren. Sie bietet den Jugendlichen, die ja kaum noch eine konkrete Vorstellung von den Inhalten der gewerblichen Berufe haben, die Möglichkeit, sich einen ersten Eindruck zu verschaffen und evtl. auch Kontakte für eine zukünftige Ausbildung zu knüpfen.

Jobcenter: Können Sie sich andere Formen der „Auszubildendengewinnung“ vorstellen?

Mönnig: Es gibt seit einigen Jahren Berufsorientierungsmaßnahmen, wo den Schülern der Haupt- und Realschulen eine Reihe von Berufen in der Praxis vorgestellt werden. Anbieter solcher Maßnahmen sind z. B. der Lehrbauhof und das Bildungszentrum für Elektrotechnik. Ich werbe bei den Betrieben dafür, sich für Praktika zu öffnen, um den Jugendlichen die Chance zu geben, in einen Beruf hinein zu schnuppern und auch Schülern, die einen Ferienjob suchen, diese Möglichkeit anzubieten. Kontakte mit Lehrern, die in den Abgangsklassen unterrichten und beurteilen können, ob sich jemand für eine praktische oder auch kaufmännische Arbeit eignet, halte ich ebenfalls für vorteilhaft.

Jobcenter: Wie sehen Sie den aktuellen  Ausbildungsbedarf im Vogelsbergkreis?

Mönnig: Wir hatten im Handwerk im Jahr 2014 einen deutlichen Rückgang bei den Lehrlingszahlen. Ursache dafür war nicht ein sinkendes Angebot an Lehrstellen, sondern die deutlich abnehmende Nachfrage. Dieser Trend konnte – Stand 31. 07. 2015 – gestoppt werden. Es gibt allerdings nach wie vor eine Reihe von Betrieben, die gerne ausbilden würden, aber unversorgt geblieben sind. Besonders kritisch ist die Situation bei den Lebensmittelhandwerken.

Jobcenter: Welche Erfahrungen haben Sie bei der Zusammenarbeit von Betrieben und Schulen gemacht?

Mönnig: Auf dieser Ebene gibt es sehr gute Ansätze. Besonders erwähnen möchte ich hier die Schulen in Grebenhain oder auch Schotten, wo Handwerksmeister bzw. auch Meistersöhne und -töchter die Möglichkeit erhalten, im Unterricht ihr Gewerbe und auch ihr Unternehmen vorzustellen und Fragen interessierter Schüler zu beantworten. Auch die Handwerkskammer Wiesbaden hat in der Vergangenheit immer wieder den Kontakt zu den Schulen gesucht und mit dem Präsidenten und Ausbildungsberatern für eine Lehre im Handwerk geworben.

Jobcenter: Wie sind die Handwerksbetriebe angesichts der fehlenden Auszubildenden aufgestellt, welche Maßnahmen werden von Betrieben zur Auszubildendengewinnung unternommen?

Mönnig: Es gibt Branchen, in denen wir heute schon einen Fachkräftemangel registrieren; mittelfristig wird dies zu immer mehr kleineren Betrieben führen.
Um das Image des Handwerks bei den jungen Leuten zu verbessern, finanzieren die Handwerkskammern in Deutschland seit einigen Jahren eine Imagekampagne mit jährlich 10 Millionen Euro. Außerdem haben nahezu alle Branchen zuletzt die Ausbildungsvergütungen deutlich angehoben.

Jobcenter: Wie beurteilen Sie die Berufsschulklassenexistenzen an den Vogelsberger Berufsschulen? Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Mönnig: In den vergangenen Jahren konnten im Vogelsbergkreis schon nicht mehr für alle Berufe Fachklassen aufrecht erhalten werden, etwa bei den Fleischern, den Friseuren oder den Anlagemechanikern. Da in der Regel 15 Schüler für eine Fachklasse benötigt werden, stellt sich auch für andere Branchen die Existenzfrage. Hier kann man nur dringend an die Landespolitik appellieren, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich die Situation im ländlichen Raum anders darstellt als in Ballungsgebieten, indem man ggf. kleinere Fachklassen akzeptiert.
Der Nachwuchsmangel ist zudem nicht allein ein Problem des Vogelsbergkreises, sondern er tritt genauso in unseren Nachbarkreisen auf. Daher fordern wir, dass nicht nur bei uns Berufsschulklassen aufgelöst und unsere Schüler abgegeben werden, sondern dass unseren Berufsschulen auch Schüler aus Nachbarkreisen zugewiesen werden und man dort ggf. einen Standort schließt. Der Weg vom Vogelsbergkreis z. B. nach Gießen ist schließlich nicht weiter, als der umgekehrte Weg!

Jobcenter: Gibt es Erfahrungen mit Auszubildenden mit Migrationshintergrund? Angesichts der aktuellen Flüchtlingswelle: Wie können junge ausländische Flüchtlinge als Auszubildende gewonnen werden?

Mönnig: Nein, es gibt hier noch keine Erfahrungen. Ich bin aber überzeugt, dass das Handwerk einer Ausbildung oder Beschäftigung von Flüchtlingen offen gegenüber steht. Unabdingbare Voraussetzungen hierfür ist allerdings die Möglichkeit, sich verständigen zu können. Deshalb müssen Sprachkurse für die Immigranten gefördert werden und zwar nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Menschen, die das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben. Und es muss ausbildungsbegleitende Hilfen für diese Personen geben, damit auch andere vorhandene Defizite ausgeglichen werden können.

Jobcenter: Ihre Einschätzung zur zukünftigen Fachkräftesicherung im Vogelsbergkreis?

Mönnig: Der Trend, ein Hochschulstudium einer Berufsausbildung vorzuziehen wird sich sicher nicht umkehren. Und bereits jetzt streben 57 % eines Jahrgangs ein Studium an. In 2016 werden wir zudem als Folge des demografischen Wandels noch einmal deutlich weniger Schulabgänger haben, die eine Lehre beginnen können. Es wird also sehr schwer.

Foto: Erwin Mönnig, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, im Gespräch mit Michael Richter vom Kommunalen Jobcenter KVA.

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